
Schneehase (Lepus timidus) - Ganz in Weiß durch den Winter
Der Schnee- oder Polarhase ist sowohl in Amerika als auch in Europa und Asien verbreitet. Er bewohnt die Tundren und Waldgebiete des hohen Nordens, lebt in Europa aber auch in Südskandinavien, in Schottland und in Irland. Auch in den Hochgebirgsregionen der Alpen kommt der Schneehase vor. Sein Verbreitungsgebiet reicht bis in die Steppenlandschaften Zentralasiens hinein. Während der Schneehasenbestand in seiner Gesamtheit relativ stabil ist, gelten die Populationen in den Alpen als gefährdet. Mit einer Länge von knapp 70 cm und einem Gewicht von 3 kg bleibt der Schneehase etwas kleiner als der allbekannte Feldhase.
Alle Arten der "Echten Hasen" (Gattung Lepus) sind sich sehr ähnlich. Ihnen gemeinsam sind die großen, seitlich am Kopf befindlichen Augen. Sie sind typisch für "Fluchttiere"; Hasen können mit ihnen ihre Umgebung in einem Winkel von 360 Grad wahrnehmen und eine mögliche Gefahr schon früh erkennen. Wozu ihre Augen nicht besonders gut geeignet sind, ist das räumliche Sehen und damit das genaue Abschätzen von Entfernungen. Da Hasen aber Vegetarier sind und ihnen ihre Nahrung sozusagen in den Mund wächst, haben sie dies aber auch gar nicht nötig. Hasen sind als begehrte und relativ wehrlose Beute ständig auf der Hut. Hilfreich sind hierbei ihre großen Ohren, die wie Schalltrichter wirken. Müssen Hasen vor einem Beutegreifer fliehen, so tun sie das mit großem Geschick und hohen Geschwindigkeiten. Sie können fast 80 km/h schnell laufen und sind für ihr Hakenschlagen bekannt, wozu ihre langen Hinterbeine hervorragend geeignet sind. Vielen Beutegreifern fällt es da schwer zu folgen. Zunächst schützen sich Hasen aber dadurch, dass sie sich möglichst unauffällig verhalten und sich zwischen Büschen und Steinen verbergen. Ihre Fellfarbe wirkt dabei als Tarnung, denn sie ist der Umgebung des jeweiligen Lebensraumes angepasst - und hier gibt es dann den ersten ins Auge fallenden Unterschied zwischen Schneehase und Feldhase: Im Sommer sehen sich beide Arten noch sehr ähnlich; ihr Fell ist bräunlichgrau gesprenkelt, oft mit rötlichbraunen Beimischungen und helleren und dunkleren Bereichen. Vor dem Beginn des Winters wechseln die Polarhasen jedoch ihr Haarkleid; sie werden dann schneeweiß und sind in der verschneiten Landschaft kaum zu erkennen. Wielange dieses Winterfell getragen wird, ist ganz von dem Vorkommen der jeweiligen Schneehasen-Population abhängig. Während Tiere, die extreme arktische Gebiete bewohnen, auch im Sommer ihr weißes Fell behalten, legen sich irische Schneehasen überhaupt keinen weißen Pelz zu.
Auch in ihrem sozialen Verhalten unterscheiden sich Schneehasen von Feldhasen. Während Feldhasen meistens allein anzutreffen sind und sich nur bei hoher Siedlungsdichte Gruppenstrukturen bilden, kann man Schneehasen durchaus als gesellig bezeichnen. Gerade in den unwirtlichen arktischen Regionen finden sie sich häufig zu Ansammlungen von mehreren hundert Tieren zusammen. Diese Zusammenschlüsse sind anonym und die Einzeltiere kennen einander nicht. Sie dienen der erhöhten Sicherheit der einzelnen Individuen. Man hat beim Schneehasen aber auch kleinere Gruppenstrukturen gefunden, in denen die Tiere sich kennen und eine Rangordnung ausbilden. Solche Gruppen legen oft Schneeburgen an, in denen die Tiere vor dem rauhen Klima einigermaßen geschützt sind. Dies ist ein weiterer Unterschied zum Feldhasen, der keine Art von Bauen anlegt.
Eine Schneehäsin bekommt zwei- bis dreimal im Jahr ein bis fünf Junge. Wie bei allen Hasen und im Gegensatz zum Kaninchen kommen sie als Nestflüchter zur Welt. Sie können sofort sehen und hören, haben ein Fell und sind in der Lage umherzulaufen. Dennoch verbergen sie sich zunächst in von der Mutter augehobenen Erdvertiefungen, so genannten Sassen. Die Häsin kommt in der Regel nur einmal am Tag vorbei, um nach ihren Jungen zu sehen und sie zu säugen. Solche langen Intervalle sind möglich, weil die Milch der Schneehäsin besonders nahrhaft ist: 23% Fettgehalt sind normal. Wie viele Tierarten, die Gebiete mit extremen klimatischen Verhältnissen bewohnen, sind auch Schneehasen bemüht, möglichst viele Jungtiere in die Welt zu setzen und ihre Investition in das einzelne Jungtier möglichst gering zu halten. In regelmäßigen Abständen kommt es zu Fluktuationen in der Bestandsdichte. Zunächst steigt sie durch die starke Vermehrung steil an bis irgendwann nicht mehr genügend Nahrung für alle vorhanden ist. Der Zustand der Tiere verschlechtert sich hierdurch; sie verhungern oder werden eine leichte Beute für Raubtiere. Letztendlich bricht die Population zusammen und es überleben nur wenige Tiere. Diese bilden den Grundstock für die nächste Massenvermehrung, die einsetzt, wenn sich die Bestände der Futterpflanzen wieder erholt haben. Auch die Bestandsentwicklung verschiedener Raubtiere folgt mit zeitlicher Verzögerung der der Hasen. Solch ein Zyklus dauert beim Schneehasen etwa zehn Jahre.
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