
Orang-Utan (Pongo pygmaeus) - Die "Waldmenschen" Borneos und Sumatras
Das malaiische Wort "Orang-Utan" bedeutet wörtlich übersetzt "Waldmensch". Und tatsächlich haben die großen Menschenaffen viele menschliche Züge, sowohl was ihren Gesichtsausdruck als auch was ihre Bewegungen und Gesten angeht. Erwachsene Orang-Männer sind mit ihrem zotteligen roten Fell, ihren breiten Backenwülsten und ihren langen Bärten imposante Gestalten. Freilebend erreichen sie ein Gewicht von bis zu 80 kg, Zootiere, die häufig unter Bewegungsmangel leiden, werden noch erheblich schwerer. Orang-Frauen bleiben wesentlich kleiner. Die Gesichtsfarbe junger Orang-Utans ist hell, wird wie bei Schimpansen aber mit zunehmendem Alter dunkler.
Orang-Utans bewohnen die Tieflandregenwälder der Inseln Borneo und Sumatra auf den heutigen Staatsgebieten Malaysias und Indonesiens. Man unterteilt sie in zwei Unterarten, den Borneo-Orang-Utan und den Sumatra-Orang-Utan, die sich durch Fellfarbe und Gesichtsmerkmale unterscheiden. Früher lebten Orang-Utans auch auf Java, wo sie aber schon vor langer Zeit durch die Bejagung durch Frühmenschen ausgerottet wurden. Orang-Utans sind die wohl größten und schwersten Tiere, die mehr oder weniger ständig auf Bäumen leben. Nur erwachsene Orang-Männer müssen von Zeit zu Zeit zum Boden hinabsteigen, wenn sie wegen zu dünner Äste nicht von einem Baum zum nächsten wechseln können. Das Leben in den Bäumen schützt die Orang-Utans vor natürlichen Feinden, vor allem dem Tiger. Auch die Nächte verbringen Orang-Utans in den Bäumen. Sie bauen Schlafnester - meistens jeden Abend ein neues -, die sie häufig mit einem Astgeflecht überdachen, um vor den im Regenwald oft herrschenden kräftigen Regengüssen geschützt zu sein. In den Bäumen finden die Menschenaffen auch ihre Nahrung, die vor allem aus Früchten und Blättern besteht. Orang-Utans haben aber auch gegen gelegentliche tierliche Beikost nichts einzuwenden. So fressen sie neben Ameisen und Termiten auch Eier und Vogelküken sowie nestjunge Eichhörnchen. Ihre hauptsächliche Nahrung - Früchte - kommt im Wald aber nur verstreut vor. Die Affen müssen also umherwandern, um genügend Essbares aufzutreiben. Obwohl die Streifgebiete erwachsener Männer oft bis zu 10 Quadratkilometer groß sind, wandern die Tiere täglich nur über relativ kurze Strecken. Für so große Tiere wie Orang-Utans ist das Umherwandern eine sehr energieaufwändige und anstrengende Angelegenheit. Die im gleichen Gebiet vorkommenden, sehr viel kleineren Gibbons wandern viel weitere Strecken, um ihren Nahrungsbedarf zu decken. Wie schaffen es aber Orang-Utans trotz des geringeren Aufwands für die Nahrungssuche, genügend Nahrung zu finden? Ein wesentlicher Grund ist sicherlich ihre hohe Intelligenz. Die wenigen Nahrungsquellen, die sich ihnen bieten, nutzen Orang-Utans sehr effektiv. So suchen sie auf direktem Wege ganz gezielt Bäume auf, auf denen Nahrung zu erwarten ist. Intelligenztests bei in Menschenobhut gehaltenen Tieren zeigten, dass junge Orang-Utans gleichaltrigen Schimpansen und Gorillas häufig überlegen sind.
Orang-Utans leben vor allem als Einzelgänger. Im großen Revier eines Orang-Mannes befinden sich meistens kleinere Reviere mehrerer Orang-Frauen. Zur Reviermarkierung und Anzeige ihres Standorts lassen erwachsene, hochrangige Männer ihre lauten Rufe hören, deren Wirkung sie oft durch das Abknicken von Ästen verstärken. Orang-Männer, die in das Revier eines anderen Mannes eingedrungen sind, ziehen sich meistens angesichts eines solchen Spektakels möglichst unauffällig zurück. Es kann aber auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommen; viele Orang-Männer haben Narben von Bisswunden oder gebrochene Finger. Auf paarungswillige Orang-Frauen wirken die Rufe der Männer anziehend. Sie suchen dann die Orang-Männer auf und bleiben häufig bis zu mehreren Monaten in deren Nähe. Wenn sie schwanger sind, verlassen sie die Männer wieder und gehen ihre eigenen Wege. Die Schwangerschaft dauert wie beim Menschen etwa 9 Monate. Das Orang-Baby bleibt ein Jahr lang ständig in unmittelbarer Nähe der Mutter und wird von ihr herumgetragen. Dann wird es langsam unabhängiger und beginnt, seine Umgebung zu erkunden. Es entfernt sich dabei aber nie weit von der Mutter. Entwöhnt wird es erst mit drei Jahren oder, wenn kein neues Kind geboren wird, auch erst später. Bei freilebenden Orang-Utans folgen die Geburten durchschnittlich in einem Abstand von sechs Jahren aufeinander. Wann immer heranwachsende Orang-Kinder aufeinandertreffen nutzen sie die Gelegenheit zum Spiel. Auch die Mütter gesellen sich dann dazu, treten aber kaum in direkten Kontakt zueinander. Solche Gemeinschaften können mehrere Wochen zusammenbleiben, bevor jede Kleinfamilie wieder ihrer Wege geht.
Der Orang-Utan ist der zur Zeit wohl bedrohteste Menschenaffe. Man schätzt, dass momentan nur noch 30.000 bis 50.000 Orang-Utans im Freiland leben. Heute ist vor allem die Zerstörung des Lebensraumes der großen Affen für deren zunehmendes Verschwinden verantwortlich. Große Flächen Regenwald werden systematisch in Ackerland und Plantagen umgewandelt. Die Vorgehensweisen sind dabei meistens alles andere als zimperlich. Ein häufig angewandtes Mittel ist die Brandrodung. So sind die vor allem in den Jahren 1997 und 1998 in Indonesien wütenden, verheerenden Waldbrände von Menschen verursacht worden. Sie setzten dem Bestand der Orang-Utans besonders zu. Viele Tiere kamen während der Brände ums Leben. Orang-Utans, die den Flammen entkamen, mussten in Gebiete abwandern, die von Artgenossen bewohnt wurden. Hierdurch erhöhte sich die Bevölkerungsdichte und damit der soziale Stress für die einzelnen Orang-Utans. Obwohl Orang-Utans schon seit Jahrzehnten geschützt sind, ist ihr Überleben wohl nur in Nationalparks und Zoos möglich. Die Regierung Indonesiens hat im laufenden 25-Jahres-Plan 20 Millionen Hektar Wald zur Umwandlung in Plantagen und Ackerland freigegeben. Angesichts dieses Szenarios scheinen Bemühungen, in Zoos geborene Orang-Utans auszuwildern, aussichtslos. Diese besonders von der Biologin Biruté Galdikas forcierten Anstrengungen haben aber wenigstens zur Folge, dass von der indonesischen Regierung neue Schutzgebiete ausgewiesen werden, in denen das Überleben der Orang-Utans gesichert erscheint.
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