
Koala (Phascolarctos cinereus) - Komplizierter Kostgänger und Teddy-Vorbild
Ihr Zweitname "Beutelbär" erscheint, wenn man Koalas betrachtet, nicht ganz abwegig, erinnern diese Australier doch tatsächlich an kleine Bären. Verwandt mit ihnen sind sie allerdings nicht; Koalas gehören zu den Beuteltieren - und hierunter sicherlich zu den bekanntesten.
Mit ihrem runden Kopf, den großen "Kulleraugen", ihren Plüschohren und einem eher "gemütlichen" und zutraulichen Wesen bringen sie alle Attribute eines Sympathieträgers mit. Dies entdeckten auch findige Hersteller von Spielwaren sehr schnell; ihnen diente der Koala als Vorbild für den allbekannten Teddybären, der im Laufe der Zeit zwar mehr und mehr Züge "echter" Bären annahm, in seinem Ursprung aber eindeutig ein Koala ist.
"Teddys" haben nicht nur Freunde
Trotz der Begeisterung vieler Menschen für dieses australische Charaktertier, drohte dem Koala lange Zeit ein grausames Schicksal: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Australien ein seltsamer "Sport", der im Abschuss wehrloser Koalas aus ihren Wohnbäumen bestand. Da die Tiere oft erst nach mehreren Schüssen starben, durchlitten sie dabei ungeheuere Qualen. Auch die Schreie der verletzten Koalas, die an das Jammern von Kindern erinnern, hielten die "Jäger" nicht davon ab, ihrem "Vergnügen" nachzugehen. Den Bestand der Koalas noch härter traf dann die bald einsetzende organisierte Pelzjagd. Zusätzlich wurden die schon stark dezimierten Bestände durch verschiedene Krankheiten bedroht, so dass der Koala am Rande der Ausrottung stand. Heute ist er streng geschützt und die Bestände konnten sich erholen. Dennoch droht dem Koala eine weitere Gefahr: die Zerstörung seines Lebensraumes, der lichten Eukalyptuswälder.
Nahrungsspezialist im Eukalyptuswald
Die Eukalyptuswälder Ost- und Südaustraliens sind die Heimat der Koalas. Am Tage sitzen die Tiere mehr oder weniger regungslos in den Astgabeln der Bäume - ein besonders dicker Pelz am Hinterteil sorgt dabei für den nötigen Komfort. Koalas sind außerhalb der Fortpflanzungszeit nicht territorial und äußerst friedfertig, zeigen aber eine Präferenz für bestimmte "Lieblingsbäume", in denen sie sich bevorzugt aufhalten. Während der Fortpflanzungsperiode werden einzelne Bäume von den Männchen mit Drüsensekreten als "Eigentum" markiert. Der Duft der Sekrete lockt außerdem Weibchen an, so dass ein temporärer Harem entsteht.
Koalas gelten zwar als nacht- und dämmerungsaktiv, unterbrechen aber auch hin und wieder ihre Tagruhe, um von ihrer ausschließlichen Nahrung zu fressen - den Blättern der Eukalyptusbäume. Dies ist für die Koalas allerdings keineswegs so einfach, wie es sich zunächst anhören mag; längst nicht alle der über 300 in Australien vorkommenden Eukalyptusarten sind für die Tiere verdaulich. Viele unter ihnen sind wegen ihres Blausäuregehaltes hochgradig giftig, so dass nur etwa 20 Arten als mögliche Nahrungsquelle übrigbleiben. Und auch deren Blätter enthalten teilweise giftige Verbindungen, die der Koalakörper verarbeiten und ausscheiden muss. Sie enthalten aber auch die für die Funktion des Stoffwechsels der Koalas notwendigen ätherischen Öle und sind daher durch nichts zu ersetzen. Koalas sind ständig von einem typischen leichten Eukalyptusduft umgeben. Der Hauptbestandteil der Nahrung ist schwer verdauliche Zellulose. Wie viele Tiere, die hauptsächlich von Pflanzennahrung leben und kein "Wiederkäuersystem" aus mehreren Mägen entwickelt haben, besitzen Koalas einen großen Blinddarm, in dem die Zelluloseverdauung mit Hilfe verschiedener Mikroorganismen stattfindet.
Ihre komplizierte Ernährung hat Koalas lange Zeit zu schwierigen Pfleglingen in Zoos gemacht. Es bedurfte einiger Anstrengungen bis man herausfand, welche Eukalyptusarten sich als Futter eignen und wie sie zu beschaffen sind. Dank zunehmender Erfahrungen und unter anderem der Kooperation mit Fluggesellschaften, die für den Transport des Futters sorgen, sieht man heute hin und wieder Koalas in verschiedenen europäischen Zoos. Wo die Haltung klappt, züchten die Tiere auch oft nach - und eine Koalamutter mit einem Jungtier im Beutel oder auf dem Rücken gehört natürlich zu den absoluten Publikumsmagneten.
Aller Anfang ist schwer ...
... auch wenn es für einen jungen Koala darum geht, von seiner bequemen Milchnahrung Abschied zu nehmen und auf die harte Eukalyptuskost umzusteigen. Ein Problem ist dabei, dass ihm noch die Mikroorganismen fehlen, die zur Aufspaltung der Zellulose im Blinddarm notwendig sind; sie sind einem Koalababy ja schließlich nicht "angeboren". Hier hat sich die Natur einen für den menschlichen Geschmack zunächst recht merkwürdigen und unappetitlichen Trick einfallen lassen: Zwischen der Aufnahme von Muttermilch und dem Verzehr frischer Eukalyptusblätter ist eine Übergangsphase eingeschoben, in der sich das Jungtier vom Blinddarmkot der Mutter ernährt, vorverdauter Nahrung, die viele durch die Mikroorganismen der Mutter bereits aufgeschlossene Nährstoffe enthält. Hierbei werden auch die Mikroorganismen selbst von der Mutter auf das Kind übertragen und bereiten dessen Verdauungssystem auf die spätere Aufnahme der Eukalyptusnahrung vor. Diese Prozedur hat eine Besonderheit in der Anatomie der Koalas zur Folge: Bei ihnen öffnet sich der Beutel nicht wie bei den Känguruhs und den meisten anderen Beuteltieren nach vorn sondern nach hinten. So kann der junge Koala im Beutel bleiben und den Kot direkt vom After der Mutter aufnehmen.
Auch wenn das Jungtier den Beutel verlassen hat und beginnt, selbst Nahrung zu suchen, ist die Arbeit für die Mutter längst noch nicht erledigt. Indem sie ihr Kind durch Herabbiegen von Zweigen auf geeignete Blätter hinweist, trägt sie entscheidend zu entsprechenden Lerneffekten und seinem späteren Überleben bei. Auch Jungtiere, die bereits ein Jahr alt sind und fast ihre volle Größe erreicht haben, flüchten bei Gefahr immer noch auf Mutters Rücken. Die Mutter-Kind-Bindung ist bei Koalas außergewöhnlich eng und zeigt, dass die vermeintlich primitiven Beuteltiere den so genannten "Höheren Säugetieren" bezüglich der Komplexität ihres Verhaltensrepertoires in nichts nachstehen.
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